Politik

In zwölf Monaten wird in Berlin gewählt: Parteien wetteifern um das Rote Rathaus

Parteien starten ein Jahr vor der Wahl ihre Kampagnen, um das Rote Rathaus in Berlin für sich zu gewinnen.

Parteien kämpfen ums Berliner Rathaus.

Die Hauptstadt steht an einem politischen Scheideweg. Am 20. September 2025 ist es wieder so weit: In Berlin steht die Wahl eines neuen Abgeordnetenhauses an. Durch diese Wahl wird nicht nur das Landesparlament neu besetzt; es entscheidet sich auch, wer das historische Rote Rathaus als Regierender Bürgermeister oder Regierende Bürgermeisterin führen wird. Die Ausgangslage ist angespannt: Die Regierung aus CDU und SPD steht den Umfragen zufolge auf wackeligen Beinen, während andere Parteien auf eine Trendwende hoffen. Wer kann das Vertrauen der Bürger erlangen? Welche Themen dominieren den Wahlkampf, und wer sind die Personen, die ihre Parteien durch die kommenden Monate führen werden?

Ein Wandel durchzieht das politische Berlin. Die CDU, die 2023 unter der Führung von Kai Wegner nach längerer Zeit wieder die stärkste Kraft wurde und das Rote Rathaus eroberte, kämpft nun um ihre Bestätigung. Die SPD, die über viele Jahrzehnte als "Berliner Partei" fast unangefochten war, sucht nach einem Neuanfang und hat das Ziel, das Rathaus zurückzuerobern. Auch die Grünen, die Linke und die AfD steuern auf einen intensiven Wahlkampf zu. Es geht nicht nur um Macht; es stellt sich auch die Frage, wie Berlin in Zukunft regiert werden soll: sozial, liberal, ökologisch oder konservativ? Die Herausforderungen sind erheblich – von der Wohnungsnot über Migration und Integration bis hin zu Verkehrswende, Bildung und Digitalisierung. In der immerwährenden Metropolveränderung prallen urbane Trends gegen soziale Spaltungen, Innovation gegen die Sorgen des Alltags.

Die Kandidatinnen und Kandidaten sind wie selten zuvor im Mittelpunkt. Führungsfiguren wie Kai Wegner (CDU), Steffen Krach (SPD), Bettina Jarasch und Werner Graf (Grüne), sowie Kristin Brinker (AfD) und Mitglieder der Linken stehen für verschiedene politische Strömungen und Ansichten. Aber nicht nur die Spitzenleute gestalten das Rennen: Strategische Partnerschaften, potenzielle Koalitionen und das Abschneiden kleinerer Parteien werden ebenfalls darüber bestimmen, wie die Berliner Landespolitik nach der Wahl 2025 aussieht.

Selten war die politische Gemengelage in Berlin so offen wie zurzeit. In den letzten Jahren haben sich nicht nur die Parteipräferenzen verändert, sondern auch das Vertrauen in politische Institutionen ist durcheinandergeraten. Wahlpannen, Regierungswechsel und gesellschaftliche Konflikte haben ihre Auswirkungen hinterlassen. Berlin ist weiterhin ein Labor für politische Experimente – eine Stadt, in der gesellschaftliche Debatten oft früher und intensiver stattfinden als anderswo.

Unklar ist, wer das Rennen um das Rote Rathaus macht. Aber schon jetzt ist es offensichtlich: Die Wahl 2025 wird nicht nur eine Richtungsentscheidung für Berlin, sondern könnte auch bundespolitische Signalwirkungen haben. Eine detaillierte Betrachtung der wichtigsten Parteien, ihrer Strategien, der Kandidatinnen und Kandidaten sowie der zentralen Themen des Berliner Wahlkampfs 2025 folgt in den kommenden Abschnitten.

Das Erbe der CDU: Kai Wegner und die Suche nach Stabilität

Die Christdemokratische Union steht vor einer wichtigen Bewährungsprobe. Nach ihrem Wahlsieg im Jahr 2023 übernahm Kai Wegner das Rote Rathaus und beendete damit die lange Ära der sozialdemokratischen Dominanz in Berlin. Wegner, ein gebürtiger Reinickendorfer und seit vielen Jahren in der Kommunalpolitik aktiv, wurde zum Hoffnungsträger der CDU, die sich modern und urban positionieren wollte. Er führte die Partei zu ihrem besten Ergebnis seit fast drei Jahrzehnten und formte mit der SPD eine Große Koalition, die Stabilität gewährleisten sollte.

Wegner will seine Erfolge nutzen, um sich auf die Wahl 2025 vorzubereiten. Obwohl die CDU noch keine offizielle Bestätigung gegeben hat, wer als Spitzenkandidat ins Rennen geht, zweifelt kaum jemand daran, dass Wegner erneut antreten wird. Er hat eine gemischte Bilanz: Obwohl es in der inneren Sicherheit und der Stadtentwicklung Fortschritte gibt, bleibt die Wohnungsproblematik ein ungelöstes Dauerthema. Die Bemühungen, den Wohnungsbau durch Bürokratieabbau und Investitionsanreize zu beschleunigen, haben bisher Widerstände erfahren – von Bürgerinitiativen ebenso wie von politischen Mitbewerbern.

Man bezeichnet Wegners Führungsstil häufig als pragmatisch. Er erhielt Rückhalt in der eigenen Partei, weil er Brücken zwischen konservativen und liberalen Strömungen schlagen konnte. Er wird gleichzeitig als vermittelnd in der Zusammenarbeit mit der SPD in der Koalition angesehen. Aber die Koalition ist anfällig geworden. Die Umfragen Anfang 2025 zeigen, dass CDU und SPD zusammen nicht mehr eine stabile Mehrheit erreichen können. Die CDU muss sich daher nicht nur als Regierungspartei beweisen, sondern auch als Antrieb für Erneuerung. Vor allem die Union hat es schwer, junge Wählerinnen und Wähler zu erreichen, die eine Stadtpolitik wollen, die digitaler, umweltfreundlicher und sozial gerechter ist.

Wahlkampfthemen wie Innere Sicherheit, Wirtschaftsansiedlung und Verkehrspolitik sind auf der Agenda. Die CDU setzt auf traditionelle Werte, zeigt jedoch auch, dass sie bereit ist, Berlin als moderne Metropole weiterzuentwickeln. Wegner versucht, das Gleichgewicht zwischen Tradition und Innovation zu bewahren – eine heikle Gratwanderung, die durch zunehmende soziale Spannungen und politische Polarisierung gefährdet ist. Nicht zuletzt muss die CDU auf Bundesebene mit einem herausfordernden Umfeld umgehen: Die Partei hat mit einem rückläufigen Zulauf zu kämpfen, während die rechten und linken Kräfte in Berlin besonders stark sind.

Wenn Wegner es schafft, seine Erfolge als Regierungschef überzeugend zu präsentieren und neue Wählerschichten zu gewinnen, könnte die CDU das Rote Rathaus verteidigen. Aber der Wahlkampf wird härter als je zuvor: Die Konkurrenz hat sich entschlossen, die Ära Wegner zu beenden. Ob die CDU 2025 wieder die stärkste Kraft sein wird, ist noch ungewiss – und hängt vor allem von ihrer Fähigkeit zur Mobilisierung und ihrer inhaltlichen Geschlossenheit ab.

Die SPD im Aufbruch: Steffen Krach und das Ziel Rathaus-Rückeroberung

Die Geschichte der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands in Berlin ist alles andere als geradlinig. Sie war über viele Jahrzehnte die dominierende Kraft in der Stadt, stellte mit wenigen Ausnahmen das Stadtoberhaupt und prägte maßgeblich die politische Landschaft. Die Zeiten, in denen es unangefochtene Mehrheiten gab, sind vorbei. In der Wahl 2023 erreichte die SPD mit 18,4 Prozent ein historisches Tief und verlor das Rote Rathaus an Kai Wegner und die CDU. Die Wahlniederlage hat eine Partei im Umbruch hinterlassen, die jetzt versucht, das Blatt zu wenden.

Die Berliner SPD hat mit Steffen Krach einen Neuanfang gewählt. Krach, ein Berliner und momentan noch Regionspräsident in Hannover, wurde im Herbst 2024 als designierter Spitzenkandidat vorgestellt. Seine offizielle Wahl auf dem Parteitag im November 2024 war ein Zeichen der Aufbruchstimmung: Krach verkörpert einen sozialdemokratischen Kurs, der soziale Gerechtigkeit, Bildung und Integration in den Vordergrund stellt, während er die Herausforderungen einer wachsenden Metropole nicht ignoriert.

Im Wahljahr 2025 hat die SPD ihre Strategie eindeutig: Sie will den ersten Platz erobern und damit ins Rote Rathaus zurückkehren. Krach macht klar, dass es nicht um Rang zwei oder drei geht, sondern darum, wieder die stärkste Kraft zu sein. Die Situation ist allerdings herausfordernd. Die Partei steht vor der Herausforderung, einerseits die Stammwählerinnen und -wähler zu mobilisieren und andererseits neue, junge und urban geprägte Milieus zu erreichen, die in der Vergangenheit eher den Grünen oder der Linken zugeneigt waren.

Die SPD setzt inhaltlich auf bewährte Themen wie bezahlbares Wohnen, Investitionen in Bildung und eine sozial gerechte Mobilitätswende. Krach will die Stadt "für alle" gestalten – ein Anspruch, der angesichts der zunehmenden Ungleichheit und sozialen Fragmentierung stark herausgefordert wird. Zudem muss die Partei ihr Verhältnis zu möglichen Koalitionspartnern klären: Eine Koalition mit Grünen und Linken wäre zwar knapp möglich, aber es gibt programmatische Hürden. Die SPD muss sich auch der AfD und ihrem wachsenden Zuspruch, besonders in den Außenbezirken, entgegenstellen.

In der Wahlkampftaktik setzt die SPD auf eine Kombination aus Straßenwahlkampf, digitaler Präsenz und gezielten Aktionen in sozialen Brennpunkten. Die Strategie umfasst es, die historische Rolle als Partei der kleinen Leute wieder aufzugreifen und gleichzeitig progressive, stadtentwicklerische Projekte in den Vordergrund zu stellen. Obwohl Steffen Krach als sachorientiert und kommunikativ gilt, muss er noch beweisen, dass er die verschiedenen Flügel der Berliner SPD zusammenbringen kann.

Die größte Herausforderung, vor der die SPD steht, ist die Glaubwürdigkeit. Das Bild der alten Berliner Verwaltung und einer Politik, die zu oft auf Kompromisse statt auf mutige Entscheidungen setzte, verbinden viele Wählerinnen und Wähler mit der Partei. Falls es der SPD mit Krach gelingt, ein neues, dynamischeres Profil zu entwickeln und die Fehler der Vergangenheit glaubhaft zu adressieren, könnte sie das Rote Rathaus zurückerobern. Aber der Weg dorthin ist alles andere als einfach, und der Ausgang der Wahl ist ungewisser denn je.

Grüne Doppelspitze: Jarasch und Graf zwischen Ökologie und Koalitionsträumen

Die Berliner Grünen haben die politische Neuordnung in der Hauptstadt erfolgreich genutzt. Im Jahr 2023 haben sie die Wahlen genutzt, um sich als dritte Kraft hinter der SPD zu positionieren – mit einem stabilen urbanen Wählerpotenzial und einer deutlichen ökologischen Agenda. Für die Wahl 2025 setzt die Partei wieder auf eine Doppelspitze: Bettina Jarasch und Werner Graf, beide erfahrenen Fraktionsvorsitzenden, führen die Partei in den Wahlkampf. Es ist unübersehbar, dass sie ambitioniert ist: Berlin soll grüner, sozialer und lebenswerter werden – und erstmals könnte ein Grüner das Rote Rathaus erobern, wenn die Partei die stärkste Kraft wird.

Die Grünen nehmen die Rolle der Partei der ökologischen Modernisierung ein. Klimaschutz, Verkehrswende und soziale Gerechtigkeit sind die zentralen Themen ihres Programms. Jarasch, die 2021 schon als Spitzenkandidatin antrat, hat Erfahrung in der Umweltverwaltung und wird als Brückenbauerin zwischen den progressiven und den pragmatischen Flügeln angesehen. Werner Graf, ein erfahrener Koalitionsstratege, vertritt ein linkes, bewegungsorientiertes Politikverständnis und möchte als erster Grüner Regierender Bürgermeister werden, falls seine Partei die Wahl gewinnt.

Die Grüne Partei hat im Wahlkampf die Diskussion über die Mobilität der Zukunft als zentrales Thema. Die Erweiterung des Radverkehrs, die Senkung des Autoverkehrs und der Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs sind zentrale Forderungen. In Berlin sind diese Themen stärker denn je umstritten: Während die Innenstadtbezirke überwiegend den Kurs unterstützen, formiert sich in den Außenbezirgen der Widerstand gegen eingeschränkte Parkmöglichkeiten und autofreie Zonen. Die Grünen setzen auf Dialog und Beteiligung, müssen jedoch auch bereit sein, Kompromisse zu schließen, um ein breites Wählerpublikum anzusprechen.

Ein weiteres wichtiges Thema ist der Wohnungsbau. Mehr soziale und ökologische Wohnprojekte sowie eine striktere Regulierung des Wohnungsmarktes sind die Forderungen der Partei. Die Grünen sind nach den Erfahrungen mit dem gescheiterten Volksentscheid zur Enteignung großer Immobilienkonzerne vorsichtiger geworden, aber ihr Ziel bleibt: bezahlbarer und nachhaltiger Wohnraum für alle. In der Bildung und Integration setzen Jarasch und Graf auf höhere Investitionen und neue Ansätze, um die Stadt für Kinder und Jugendliche attraktiver zu gestalten.

In Bezug auf Koalitionsverhandlungen ziehen die Grünen eine Zusammenarbeit mit SPD und Linken vor – das "rot-grün-rote" Bündnis. Umfragen zu Beginn des Jahres 2025 belegen jedoch, dass eine solche Mehrheit nicht gerade stabil ist. Deshalb sollten die Grünen neue Bündnisse in Betracht ziehen, ohne dabei ihr Profil zu verlieren. Die Partei präsentiert sich als Gegenmodell zur Regierung unter CDU, möchte jedoch auch als zukünftiger Koalitionspartner Verantwortung übernehmen.

Die Grünen gestalten ihren Wahlkampf mit einer Kombination aus Aktivismus, Digitalstrategie und klassischer Überzeugungsarbeit. Die Partei nutzt das bundesweite Interesse an Klimapolitik, muss jedoch in Berlin beweisen, dass sie auch regieren kann. Die Chancen, das Rote Rathaus zu erobern, sind realistisch, doch der Weg dorthin ist durch Widerstände und politische Kompromisse erschwert.

Die Linke: Zwischen Bundestrend und Berliner Eigenheiten

In Berlin hat die Partei Die Linke traditionell stärkere Wurzeln als in vielen anderen Bundesländern. Historisch aus der PDS entstanden, hat sie sich in Berlin als Stimme für soziale Gerechtigkeit, Mieterrechte und eine progressive Stadtentwicklung etabliert. Im Hinblick auf die Wahl 2025 stehen der Partei jedoch neue Herausforderungen bevor: Einerseits nutzt sie den bundesweiten Rückenwind nach der erfolgreichen Bundestagswahl 2025, wo sie in Berlin fast 20 Prozent der Zweitstimmen erzielte. Auf der anderen Seite ist es notwendig, dass sie in einer sich schnell wandelnden Stadt ihr Profil schärft und sowohl personell als auch inhaltlich ein klares Angebot formuliert.

Bis zum Frühjahr 2025 hatte Die Linke noch keinen Spitzenkandidaten festgelegt. In der Partei und in den Medien werden Namen wie Max Schirmer, Kerstin Wolter, Elif Eralp und Ines Schwerdtner genannt. Ein Parteitag im Mai 2025 wird die Entscheidung darüber treffen. Die verschiedenen Kandidierenden stehen für die unterschiedlichen Flügel der Partei – von der pragmatischen Kommunalpolitik bis hin zum linksradikalen Aktivismus. Die Entscheidung wird entscheidend dafür sein, wie Die Linke im Wahlkampf wahrgenommen wird: als radikale Oppositionskraft oder als konstruktiver Koalitionspartner.

In Bezug auf die Themen bleibt Die Linke ihren zentralen Anliegen treu. Im Mittelpunkt steht die Forderung nach einem grundlegenden Wandel der Wohnungspolitik. Die Partei verlangt, bis 2030 insgesamt 100.000 öffentliche Wohnungen zu schaffen, und setzt sich für eine strikte Mietendeckelung ein. Die Diskussion wird von den Erfahrungen mit dem gescheiterten Mietendeckel-Gesetz und den Volksentscheiden zur Enteignung großer Wohnungskonzerne beeinflusst. Die Linke betrachtet sich als die einzige Partei, die ohne Kompromisse gegen die Interessen der Immobilienlobby kämpft und sich stattdessen auf die Bedürfnisse der Mieterinnen und Mieter konzentriert.

In der Sozial- und Bildungspolitik fordert Die Linke höhere Investitionen in Kitas, Schulen und die soziale Infrastruktur. Die Bekämpfung von Armut, die Stärkung der Teilhabe und der Ausbau der kommunalen Daseinsvorsorge sind zentrale Forderungen. Außerdem kämpft die Partei für eine Verkehrswende, die über den Ausbau des ÖPNV hinausgeht und soziale Gerechtigkeit im Verkehrsbereich schafft – wie etwa kostenlose Tickets für bestimmte Gruppen.

Im Hinblick auf die Koalition bleibt Die Linke zeigt sich flexibel, bevorzugt jedoch eine Zusammenarbeit mit Grünen und SPD auf Augenhöhe. Die Lehren aus den vergangenen rot-rot-grünen Bündnissen zeigen jedoch, dass programmatische Differenzen und Personalfragen schnell zu Konflikten führen können. Die Linke muss auch die Konkurrenz durch die AfD in den Randbezirken bewältigen, wo soziale Themen und Protestpotenzial sich kreuzen.

Die Linke gestaltet ihren Wahlkampf mit einer Mischung aus Basisaktivismus, Stadtteilkampagnen und einer gezielten Medienpräsenz. Die Partei plant, die Bezirke zu mobilisieren und hat sich das Ziel gesetzt, vor allem Nichtwählerinnen und Nichtwähler zu erreichen. Die Chancen, nach der Wahl 2025 an einer Regierungsbildung beteiligt zu sein, sind real – vorausgesetzt, Die Linke schafft es, ihre verschiedenen Flügel zu vereinen und ein glaubwürdiges Programm aufzustellen.

Die AfD: Kristin Brinker und der Rechtsruck im Berliner Wahlkampf

In Berlin ist die Alternative für Deutschland seit einigen Jahren am politischen Geschehen beteiligt, doch sie wird immer wieder von Skandalen, internen Machtkämpfen und gesellschaftlicher Ablehnung begleitet. Die Partei setzt mit Kristin Brinker, der Fraktions- und Landesvorsitzenden, auf Kontinuität und möchte sich im Angesicht des bundesweiten Rechtsrucks profilieren. Brinker, eine erfahrene Finanzpolitikerin, wird voraussichtlich 2025 wieder als Spitzenkandidatin antreten – ihre Nominierung durch den Landesparteitag im Oktober 2024 gilt als sicher.

Die AfD Berlin nutzt einen allgemeinen Aufwind auf Bundesniveau. Die Umfragen zu Beginn des Jahres 2025 zeigen die Partei mit etwa 16 Prozent im Bereich der Linken und vor den Grünen, was hauptsächlich dem zunehmenden Unmut über Migration, Wohnungsnot und soziale Unsicherheiten zuzuschreiben ist. In den Randgebieten und in sozial benachteiligten Stadtteilen schafft die Partei es immer besser, Protestwählerinnen und -wähler zu mobilisieren.

Die AfD legt ihren Fokus auf Migration, Sicherheit und eine restriktive Wohnungspolitik. Die Partei fordert, die Zuwanderung zu begrenzen, die Polizeipräsenz zu verstärken und die "rot-grüne" Wohnungspolitik zu beenden, da sie diese für steigende Mieten und soziale Probleme verantwortlich hält. Brinker setzt auf eine klare und scharfe Rhetorik, grenzt sich jedoch von extremistischen Ansichten ab, um auch das bürgerliche Protestpotenzial anzusprechen.

Im Wahlkampf 2025 geht die AfD in die Offensive und stellt sich als die einzige echte Opposition gegen das Berliner "Establishment" dar. Sie setzt dabei auf präzise Social-Media-Kampagnen, Wahlkampfveranstaltungen in den Stadtteilen und das Schüren von Ängsten vor sozialem Abstieg und Kontrollverlust. Die Partei versucht, Bildung, Verkehr und Digitalisierung aus einer nationalkonservativen Sichtweise zu besetzen, bleibt jedoch oft programmatisch ungenau.

Die Schwierigkeiten der AfD sind offensichtlich: Eine gesellschaftliche Ächtung, die Beobachtung durch den Verfassungsschutz und interne Richtungsstreitigkeiten machen es ihr schwer, sich nachhaltig im Berliner Parteiensystem zu verankern. Die Partei schafft es, besonders in Krisenzeiten, die Unzufriedenheit und den Protest für sich zu nutzen. Die AfD zählt zu den Unsicherheitsfaktoren der Wahl 2025 – ihr Ergebnis kann die Mehrheitsverhältnisse im neuen Abgeordnetenhaus entscheidend prägen.

Es ist unwahrscheinlich, dass die Partei einer Regierungsbeteiligung nahekommt, da sich die anderen Parteien klar von ihr abgrenzen. Trotz allem kann sie als Oppositionskraft erheblichen Druck auf die Regierungsbildung und die politische Ausrichtung ausüben. Für die AfD steht Kristin Brinker zwischen den Polen der Protestpartei und der bürgerlichen Opposition – ein Balanceakt mit ungewissem Ausgang.

Kleine Parteien und neue Bewegungen: Die Suche nach dem Überraschungseffekt

Neben den etablierten Parteien versuchen auch kleinere Gruppierungen und neue Bewegungen, Einfluss auf die Berliner Landespolitik zu nehmen. Traditionell dient Berlin als ein Experimentierfeld für politische Neuerungen: Die Piratenpartei, FDP, Tierschutzpartei, Volt und andere haben in den letzten Jahren zeitweise Achtungserfolge erzielt. Im Vorfeld der Wahl 2025 bündeln sich wieder diverse politische Initiativen, die mit bestimmten Themen und urbanen Zielgruppen um Stimmen kämpfen.

Die Freie Demokratische Partei (FDP) möchte nach ihrem Wiedereinzug ins Abgeordnetenhaus 2023 ihre Position stärken. Die Wirtschaftskompetenz, die Digitalisierung und eine liberale Wohnungspolitik sind die Schwerpunkte der Partei. Die Spitzenkandidatin Marie-Agnes Strack-Zimmermann, die 2024 von Nordrhein-Westfalen nach Berlin wechselte, hat sich das Ziel gesetzt, die FDP als Stimme der Unternehmerinnen und Unternehmer, der Start-ups und der urbanen Mittelschicht zu positionieren. In Bezug auf das Thema Stadtentwicklung nimmt die FDP eine klare Position ein: Sie ist gegen Enteignungsforderungen, plädiert für Deregulierung und möchte eine flexiblere Stadtentwicklung. Mit Umfragewerten von fünf bis sieben Prozent Anfang 2025 ist ein Verbleib im Parlament möglich, aber keineswegs garantiert.

Sogar die Piratenpartei, die einst als Hoffnungsträger der digitalen Zivilgesellschaft galt, versucht wieder, politisch Fuß zu fassen. Die Partei setzt auf Datenschutz, Offenheit und Transparenz in der Stadtverwaltung. Die Tierschutzpartei und Volt zielen bewusst auf jüngere, kosmopolitische Gruppen ab und setzen ihren Fokus auf Themen wie Tierrechte, Klimaschutz und die europäische Integration. Ihre Chancen, die Fünfprozenthürde zu überwinden, sind jedoch gering.

Frisch im politischen Geschehen sind Gruppen wie die "Klima-Liste Berlin" und "Deutsche Wohnen & Co. enteignen". Sie setzen auf extreme Forderungen in der Klimapolitik und in der Mietenpolitik, versuchen jedoch auch, den etablierten Parteien unter Druck zu setzen. Ihr Einfluss ist weniger durch Mandate, sondern durch die Themendominanz erkennbar: Forderungen nach einer autofreien Innenstadt, der Enteignung großer Wohnungskonzerne oder einer radikalen Klimapolitik prägen den Diskurs.

In Berlin begünstigt das Wahlrecht kleinere Parteien, weil es viele Überhang- und Ausgleichsmandate gibt. Trotzdem ist der Einzug ins Abgeordnetenhaus eine Herausforderung. Die Parteienlandschaft ist zerklüftet, und der Berliner Politikbetrieb hat neue Bewegungen als fester Bestandteil, die Überraschungen mit sich bringen. Kleine Parteien können entscheidend sein – sei es bei der Bildung von Koalitionen oder der Besetzung zentraler Ausschüsse.

In einer Großstadtgesellschaft, die nach neuen Lösungen für alte und neue Probleme sucht, spiegelt sich die Vielfalt der politischen Angebote wider. Ob eine der kleinen Parteien 2025 tatsächlich überraschen kann oder ob sie im Schatten der Großen verschwindet, wird während eines intensiven Wahlkampfs entschieden.

Die Wahlkampfthemen 2025: Wohnen, Mobilität und Integration im Fokus

Eine Reihe von wichtigen Themen, die das Leben der Berlinerinnen und Berliner direkt beeinflussen, prägen den Wahlkampf in Berlin 2025. Die Frage nach dem Wohnen hat nach wie vor oberste Priorität. Die Debatte wird von den enorm steigenden Mieten, der Knappheit an bezahlbarem Wohnraum und der Verdrängung von langjährigen Bewohnerinnen und Bewohnern aus ihren Vierteln dominiert. Alle Parteien sind gefordert, Lösungen zu präsentieren – sei es durch Enteignung oder Neubau, Mietendeckel oder Deregulierung. Die Frage, wie Berlin als soziale Stadt erhalten bleiben kann, ist zum Prüfstein für die Glaubwürdigkeit der Politik geworden.

Das zweite große Thema ist Mobilität. Die Verkehrswende ist derzeit wie nie zuvor umstritten. Während die Bewohnerinnen und Bewohner der Innenstadt vermehrt auf das Fahrrad, den Bus und die Bahn umsteigen und autofreie Quartiere unterstützen, empfinden die Menschen in den Außenbezirken und im Umland diese Diskussion als Bedrohung ihrer Mobilität. Während die Grünen eine drastische Reduktion des Autoverkehrs fordern, wollen CDU und FDP eine "Verkehrswende mit Augenmaß" und Linke sowie SPD suchen nach sozialverträglichen Lösungen. Die AfD nimmt die Rolle einer Verteidigerin des motorisierten Individualverkehrs ein. Der Streit um Straßen, Parkplätze und Umweltzonen wird zum Sinnbild für den Konflikt zwischen urbanem und suburbanem Leben.

Ein weiteres wichtiges Thema im Wahlkampf ist die Integration von Zuwanderern. Berlin bleibt eine Stadt der Einwanderung, wo Migration, Integration und Teilhabe ständige Herausforderungen darstellen. Die politischen Akteure kämpfen um Antworten auf die Fragen der Bildungsgerechtigkeit, des Spracherwerbs, der Arbeitsmarktintegration und der gesellschaftlichen Teilhabe. Während SPD, Grüne und Linke inklusive Ansätze verfolgen, fordern CDU und AfD eine restriktivere Zuwanderungspolitik und die konsequente Umsetzung der bestehenden Integrationsgesetze. Die Diskussion ist voller Emotionen und wird durch bundespolitische Ereignisse zusätzlich angefacht.

Auch Aspekte wie Bildung, Digitalisierung, innere Sicherheit und Klimaschutz sind von großer Bedeutung. Die Digitalisierung der Verwaltung, das Schulsystem zu modernisieren und in die Infrastruktur zu investieren, sind Wahlkampfversprechen, die immer wieder betont werden. Die Parteien müssen sich jedoch daran messen lassen, wie umsetzbar ihre Vorhaben sind – zu oft wurden in der Vergangenheit groß angekündigte Projekte nicht oder nur mit Mühe umgesetzt.

Die Themen des Wahlkampfs sind ein Spiegelbild der sozialen und kulturellen Spannungen in der Stadt. Berlin fungiert als ein Labor für gesellschaftliche Trends, doch gleichzeitig sind dort soziale Probleme und politische Konflikte besonders deutlich zu erkennen. Es obliegt den Parteien, glaubwürdige, praktikable und mehrheitsfähige Antworten auf diese Herausforderungen zu finden.

Koalitionen, Bündnisse und Szenarien: Wer kann das Rote Rathaus erobern?

In der Berliner Politik sind wechselnde Koalitionen und überraschende Bündnisse an der Tagesordnung. Im Jahr der Wahl 2025 ist das Rennen um das Rote Rathaus so offen wie selten zuvor. Es wird keine absolute Mehrheit für eine Partei geben, und die gewohnten Lager sind aufgebrochen. Nach dem 20. September fragen sich Politikerinnen, Parteien und Wähler, welche Koalitionen möglich und wahrscheinlich sind.

Die Umfragen deuten darauf hin, dass die aktuelle Große Koalition aus CDU und SPD keine Mehrheit mehr hat. Um weiterhin das Rote Rathaus zu besetzen, muss die CDU entweder die SPD erneut für eine Zusammenarbeit gewinnen oder nach anderen Partnern suchen. Obwohl eine Koalition mit den Grünen als unwahrscheinlich gilt, ist sie aufgrund der politischen Realitäten nicht völlig ausgeschlossen. Sollte die SPD als zweit- oder drittstärkste Partei abschneiden, könnte sie eine rot-grün-rote Koalition mit den Grünen und den Linken anstreben. Diese Konstellation wurde in der Vergangenheit schon erprobt, ist jedoch durch programmatische Differenzen und Personalfragen belastet.

Die Grünen könnten, falls sie erfolgreich sind, zum ersten Mal den Regierenden Bürgermeister stellen, müssten dafür aber sowohl die SPD als auch die Linke mit ins Boot holen. Die Linke ist in einer starken Verhandlungsposition, wenn sie ihr Ergebnis aus der Bundestagswahl wiederholen kann. Obwohl die AfD als Koalitionspartner für alle anderen Parteien ausgeschlossen ist, kann sie als Oppositionskraft und durch ihre Stärke in den Außenbezirken erheblichen Druck auf die Regierungsbildung ausüben.

Sollte die FDP den Wiedereinzug ins Parlament schaffen, könnte sie als Zünglein an der Waage fungieren. In einer Jamaika-Koalition (CDU, Grüne, FDP) würde sie eine wichtige strategische Rolle einnehmen. Sollte das Wahlergebnis stark fragmentiert sein, sind sogar Dreier- oder Viererkoalitionen denkbar. Die letzten Jahre haben uns gelehrt, dass die Koalitionsverhandlungen in Berlin oft lang und kompliziert sind.

Im Jahr 2025 steht die Wahl in Berlin an, die die politische Landschaft neu gestalten wird. Es ist für die Parteien wichtig, nicht nur um Stimmen zu kämpfen, sondern auch glaubwürdige Bündnisse zu bilden, die über Zweckgemeinschaften hinausgehen. Das Rote Rathaus ist nach wie vor das Symbol für die politische Macht der Stadt – wer es künftig führt, wird nicht nur an den Wahlurnen, sondern auch am Verhandlungstisch entschieden. In den nächsten Monaten wird sich herausstellen, welche Koalitionen möglich und stabil sind – und welche politischen Vorstellungen das Berlin der Zukunft gestalten werden.